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02.02.2024

Erinnern an Opfer des Nationalsozialismus in Fuhlsbüttel

Fotos von Opfern des Nationalsozialismus aus Hamburg-Fuhlsbüttel vor dem Altar der St. Marien-Kirche

Anlässlich des Gedenktags für die Opfer des Nationalsozialismus lud die Ev.-luth. Kirchengemeinde Ohlsdorf-Fuhlsbüttel am 26. Januar in die St. Marien-Kirche ein.

Die Feier gestalteten Schüler*innen des Albert-Schweitzer-Gymnasiums mit musikalischen Beiträgen und einer Lesung von Biographien von im Nationalsozialismus verfolgten Menschen aus Hamburg-Fuhlsbüttel und den angrenzenden Stadtteilen, die die Autorin Margit Löhr recherchiert hatte.

Konfirmand*innen der kirchlichen Region Mittleres Alstertal trugen dazu Namen von aus ganz verschiedenen Gründen Verfolgten bei: Zwangsarbeiter*innen und ihre Kinder, Opfer der sogenannten Euthanasie-Verbrechen, Homosexuelle, Opfer der politischen Verfolgung sowie der Verfolgung von Jüdinnen und Juden.

Viele Beteiligte gestalteten die Gedenkfeier

Die Veranstaltung begann mit einer Begrüßung durch Pastorin Britta Eger. Isabel Permien, Vorsitzende der Bezirksversammlung Hamburg-Nord verwies in ihrem Grußwort auf die aktuellen Gefahren durch die extreme Rechte. Margot Löhr berichtete in ihrer Ansprache von ihrer biographischen Spurensuche über viele Opfer aus dem Stadtteil, die inzwischen mit Stolpersteinen gewürdigt werden.

Alyn Šišić (Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte) steuerte eine Kurzvortrag über die Geschichte des Konzentrationslagers und Polizeigefängnisses bei.

Anschließend stellten die Schülerinnen Sophie Timm, Penelope Giannouzi, Catharina Danger, Clara von Stein, Felicitas Ulrich-von Borstel, Marlene Falk Enna Knoche und Anne Weiland Biographien von Verfolgten vor.

Die Geschichte der Zwangsarbeiterin Hanka Scira hat viele Gäste berührt

Mehrere der Porträtierten waren zumindest zeitweilig auch im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel inhaftiert. Besonders berührend war die Geschichte der polnischen Zwangsarbeiterin Hanka Scira, die aus unbekannten Gründen hochschwanger im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel inhaftiert wurde. Ihre Tochter Teressa kam Weihnachten 1943 in der Frauenklinik Finkenau zur Welt. Sie überlebte die Geburt nur um zwei Tage. Auf dem Formular, mit dem die Klinik das Standesamt über ihren Tod informierte, ist als ihr Wohnort das Polizeigefängnis angegeben.

Hanka Scira wurde nach dem Wochenbett Anfang Januar 1944 zurück in das Polizeigefängnis Fuhlsbüttel gebracht und von dort aus vier Wochen später in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück überstellt. Danach verliert sich ihre Spur.

Biografien von im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel Inhaftierten wurden vorgestellt

Aus dem Hamburger Widerstand wurden die Biografien des Lehrers Ernst Mittelbach und des Flugzeugkonstrukteurs Heinz Prieß vorgestellt. Heinz Prieß und seine Mutter schlossen sich der illegalen KPD-Organisation um Bernhard Bästlein an und versteckten zwei aus der UdSSR zurückgekehrte Kommunist*innen. Ernst Mittelbach nahm die beiden bei sich auf. Sowohl Ernst Mittelbach als auch Heinz Prieß wurden verhaftet und im Polizeigefängnis Fuhslbüttel inhaftiert. Sie bezahlten ihre Solidarität mit ihrem Leben: Beide wurden zum Tod verurteilt und hingerichtet.

Zu den vorgestellten Verfolgten gehörte auch Jasper Holtmann. Er geriet wegen homosexueller Kontakte in den Blick des NS-Verfolgungsapparates und wurde mehrfach inhaftiert. Am 19. Januar 1939 wurde erhängt in seiner Zelle im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel aufgefunden. Die Tat wurde als Selbstmord gemeldet. Ein Gerichtsmediziner ließ seinen Gürtel als „Tatwerkzeug“ für „Lehrzwecke“ an das Gerichtsmedizinische Institut überweisen.

Umrahmt wurden die insgesamt 15 Biografien von Soli auf Violine, Cello und am Flügel. Zum Abschluss trug das Schulorchester einen Satz aus der Symphonie Nr. 7 von Ludwig van Beethoven vor.

Lebensgeschichten können nachgelesen werden

Alle vorgestellten Biografien von Valerin Golubew, Wassili Efimov, Anna-Maria Tomassetti, Teressa und Hanka Scira, Karl-Heinz Dohmann, Ernst Mittelbach, Ernst Prieß, Jasper Holtmann, Otto Hertmann, Philip Meher, Elsbeth und Gertrud Horschitz, Dora Canepa und Fanny Berlin können in dem neuen Buch „Stolpersteine in Hamburg Fuhlsbüttel, Ohlsdorf, Klein Borstel und Langenhorn: Biographische Spurensuche“ von Margot Löhr nachgelesen werden.

Ansprache von Margot Löhr, Autorin des Buches „Stolpersteine in Hamburg Fuhlsbüttel, Ohlsdorf, Klein Borstel und Langenhorn“
Die Schülerin Sophie Timm stellt die Biographie von Hanka und Teressa Scira vor
Das Schulorchester des Albert-Schweitzer-Gymnasiums